Freitag, 18. April 2014

Stille Nacht

Es wird mal wieder Ostern. Der Benzinpreis steigt, die Eier werden knapp... aber in erster Linie merke ich es grade in den Ohren. Hört ihr das auch? Diese Ruhe! Diese Grabesstille, die nur leise gestört wird vom ewigen Genöle der Karfreitagsgegner. Himmlisch!
Und, ja, ich bin voll und ganz auf der Seite derer, die den stillen Feiertag unterstützen. Weg mit der Narrenkappe, es ist mal wieder Zeit für Inquisition!
Mir gehen die Leute auf den Keks, die der Meinung sind, sie hätten das automatische Recht auf Megaparty mit Feuerwerk, bloss weil am nächsten Tag frei ist. Und ich bin sicher, ein gehöriger Prozentsatz derer, die hier mitnölen, hat vor grade mal einem halben Jahr mit geballter Faust mitgewettert, als die rechtspopulistisch hingeschmierte Zeitungsente vom aus Rücksichtnahme auf andere Religionen umbenannten Martinsumzug für einen Aufschrei der Empörung sorgte. Ich will ja dem heiligen Martin nix Böses, das ist einer unserer nettesten Heiligen, der sowohl unseren Politikern als auch den Kirchenoberhäuptern als leuchtendes Beispiel dienen sollte, und er hat sich seinen Feiertag und die Laternenumzüge redlich verdient- aber er ist eben nur ein Heiliger. Beim Karfreitag geht es um Gottes Sohn und um die Kombination der höchsten Feste der Christenheit.
 Ich hab diese Woche doch tatsächlich Diskussionen geführt die etwa so abliefen: Häretiker:"Scheiß Tanzverbot am Karfreitag! Bin ich voll dagegen!"  Inquisitor: "Sei ruhig, sonst schaffen die am Ende noch den Feiertag ab, dann musste Arbeiten und kannst auch nicht tanzen und hast nicht mal frei..." Häretiker: "Ich kann eh nicht feiern, bin selbstständig und muß sowieso arbeiten..." Aha. Und was ist dann dein Problem mit dem Tanzverbot? Fragt der Inquisitor dann nicht mehr, sondern beschließt, diesen Artikel zu schreiben.
Ihr wollt tanzen? Ihr woll Toleranz? Vergiss es einfach. Toleranz ist aus. Ihr bekommt von uns schon viel zu viel davon. Zum einen ist diese ganze Tanzverbots-Widerstandsbewegung ja wohl hysterisch überzogen und so überflüssig- ihr könnt den Karfreitag zu allem Möglichem nutzen. Renoviert das Wohnzimmer, grabt den Garten um, wascht das Auto, da kräht kein Hahn danach! Im Gegenteil, das ist gute katholische Tradition, am Karfreitag noch schnell ein paar knechtliche Arbeiten zu verrichten, am besten in aller Öffentlichkeit, das ärgert nämlich die Evangelen- für die ist Karfreitag nämlich der höchste Feiertag, und nicht, wie für uns Rechtgläubige, Ostern. Und wenn ihr nichts zu tun habt, dann bleibt doch einfach im Bett, oder geht schwimmen. Haut euch ne Flasche Wodka in die Birne. Geht Essen, führt mal die Omma aus, das geht. Trefft euch mit Freunden, fresst Pizza mit Schokolade bis euch schlecht wird, sauft bis ihr schielt, guck das Leben des Brian auf Endloswiederholung, rezitiert aus Nietsches Werken und lasst im Hintergrund Black Metal laufen- solange ihr damit nicht die ganze Nachbarschaft beschallt interessiert das keine Sau. Nur Discopartys, die lassen wir euch nicht machen. Ihr könnt morgen wieder. Ehrlich, es ist nur ein Tag. Morgen könnt ihr wieder in euren Discos rumzappeln und alles tun was das Herz begehrt, ihr könnt eure eierlegenden Plüschhasen überflüssige Geschenke bringen lassen und ihr dürft auch am Montag noch in Ruhe ausschlafen, ohne auch nur einen Gedanken an den Sinn des Festes zu verschwenden, dem ihr den freien Tag verdankt (Es sei denn natürlich, ihr seid Selbstständig. Aber dann könnt ihr ja eh nicht saufen gehen). So nett sind wir Christen zu euch. Und nicht nur an Ostern, nein. Als nächstes werden wir euch unbehelligt lassen, wenn ihr an Christi Himmelfahrt in einer Parodie unserer Prozessionen mit Karren voller Alkohol durch die Gegend latscht und das dann als Feier des Vatertags bezeichnet. Und die langen Wochenenden von Pfingsten und Christi Himmelfahrt schenken wir euch auch noch dazu, keine Ursache! Und dann habt ihr vor Christengedöns den ganzen Sommer über eure Ruhe, da könnt ihr abfeiern bis der Notarzt kommt, kein Problem von unserer Seite aus.
Aber das ist ja nur der Anfang... So richtig ausgereizt wird christliche Toleranz ja erst in der zweiten Jahreshälfte, und das in einer Weise die dem Begriff "Biblische Geduld" ganz neue Ausmaße verleiht. Es beginnt damit, das die ganzen Kirchweihfeste, auf hessisch Kärwe, weit ab von den Kirchen auf blinkenden Rummelplätzen gefeiert werden. Das geht ja grade noch. Aber dann sind wir wieder bei Martin, am 11.11. Und da bemerken wir doch plötzlich, das sich eigentlich nur noch Eltern von Kindern bis maximal Grundschulalter, die sich gezwungenermaßen mit dem Laternenumzug beschäftigen müssen, daran erinnern das dieser Tag einem Heiligen gewidmet ist. Der Rest lässt um 11.11 Uhr, Narhallamarsch, den Karneval beginnen, weil offenbar die Aneinanderreihung von 4 Elfern voll lustig ist. Da kann man mal sehen was passiert, wenn ein sowieso schon schwaches Menschenhirn zu viel Alkohol abbekommt. Der Christ neigt da das Haupt und und spricht ein mitleidvolles Gebet, beati pauperes spiritu... Ich als Hofnarr fühl mich von solcher als Narretei bezeichneten Idiotie ja in meiner Berufsehre gekränkt, aber wer fragt mich schon...
Als nächstes ertragen wir es dann klaglos, das ihr unsere Feste Allerheiligen und Allerseelen mit einem völlig  inhaltsleeren Plastikmaskenhelloween überlagert. Ein hoch auf die Globalisierung des Schwachsinns.
Und kaum ist das vorbei, erdulden wir es, das ihr unsere weihnachtliche Meditations- und Besinnungszeit in eine flimmernde, bimmelnde Plastikramsch und Glühweihnachtsmarktorgie verwandelt, durchsetzt mit Weihnachtsfeiern genannten Fressmarathons und kriegsähnlichen Zuständen in allen Kaufhäusern, während mindestens 5 mal am Tag auf allen Sendern "Last Chrismas" läuft, eine Entwicklung die ihren traurigen Höhepunkt am Heiligen Abend erreicht, wenn ihr unterm Weihnachtsbaum den im Vergleich zum Vorjahr 6% höheren Stapel an nutzlosem Plastikschrottgeschenken aufbaut. Das an diesem unserem Fest der Menschwerdung des Herrn, das der Liebe, dem Frieden und der Hoffnung gewidmet ist, die Rate der häuslichen Gewalttaten und der Suizide ihren Jahreshöhepunkt erreicht muss ich nicht weiter kommentieren.
Zum Glück können wir den ganzen sentimentalen Quatsch ja nach 3 Tagen wieder abdekorieren, es wird ja allerhöchste Zeit wieder mal richtig zu feiern! Erst Silvester, und dann können wir endlich ernsthaft zur Fastnacht übergehen, mindesten sechs Wochenlang blöde Musik und Bildleserhumor, wenns geht bitte ohne jeden spirituellen Bezug.
Und dementsprechend begeht man dann als nächstes die österliche Bußzeit, die sogenannte Fastenzeit, genauso inhaltsleer, statt um Bescheidenheit geht es um die schlanke Linie, mit der Brigitte- Diät als heiliger Schrift, und dann schließt sich der Kreis und wir sind wieder da wo wir angefangen haben, beim Karfreitag mit dem Tanzverbot. Das ist aber auch ein Biest, dieser Karfreitag, mit den ganzen Peitschen, Folterungen, Dornen und blutverschmierten Kreuzen... da kannst du nichts romantisches reinschmuggeln, da gibts kein Plüschtier dazu, darüber werden WHAM nie einen Song machen. Und einfach ignorieren lassen wir ihn euch auch nicht. Nix da. Karfreitag gehört zu Ostern, das ist unser höchstes Fest. Ohne das könnt ihr euch von allen anderen Kirchlichen Feiertagen gleich mit verabschieden- ohne Karfreitag sind sie alle wertlos.
Und deshalb ist und bleibt der Karfreitag dieser eine Tag Ruhe. Ohne rumgezappel, ohne Suff und ohne Kaspermucke. Die wahre Stille Nacht. Von jetzt an und in Ewigkeit, Amen.
Und das ist GUT!